25. Mai 2018

Frauen oder die Semmeln in der FDP

Pressebericht Bundesparteitag FDP

Pressebericht Bundesparteitag FDP

Vor zwei Wochen Bundesparteitag der FDP – das war für mich als Delegierte  interessant aus zwei Gründen: Zum einen wollte sich die FDP mehr für Frauen interessieren, zum  anderen ist Christian Lindner immer ein guter Redner. Das erste Treffen vor dem Parteitag war als Frauentreff am Morgen (female morning meeting – warum muss das so heißen?) angekündigt. Der Saal war voll, die Presse drängelte sich, neben mir Zeit online. Die versammelte Meinung war vorher kommuniziert worden und mir so von der Zeitredaktion als Frage gestellt worden: Quote, das ist doch illiberal. Meine Meinung nach 30 Jahren Mitgliedschaft: Ohne Quote wird es nicht gehen. Mathematisch gesehen wird eine größere Gruppe, solange die Ungleichheit dauert, immer stärker wachsen als die kleinere. Man muss die Frauen stärken, wenn man sie präsenter machen will. Interessant war, dass sich die meisten Rednerinnen dafür ausgesprochen haben, dass Frauen harte Themen bearbeiten wollen: Steuern, Wirtschaft, Europa. Kein Gedöns mit Senioren, Frauen und Kindern….Im übrigen alles schicke Frauen jeden Alters, die etwas geleistet hatten, und die die FDP nicht brauchen. Aber vielleicht braucht die FDP sie! Das wäre in dieser qualitätsvollen Fülle mal ein neues Bild der Freien Demokraten. Als Lösungen bislang Mentoren (brauchen diese gestandenen Frauen nicht), zu besetzende Parteiämter veröffentlichen und Frauen gezielt ansprechen. Die Quote wurde umschifft.

Beim Parteitag dann die Überraschung: Das Präsidium war mit Frauen besetzt und hat hervorragend funktioniert. Begrüßung und Eröffnung ebenfalls zwei Frauen. Dann Lindner. Lindner fängt mit Syrien an, er verlangt einen Sondergipfel. Immer wieder klingt an, dass Lindner Russland  mit in den Kreis der internationalen Runden  hinein nehmen möchte.

Dazu kommt es am frühen Nachmittag zu einer Auseinandersetzung mit Baum und Wolfgang Gerhard. Frenetischer Jubel der Delegierten. Wie auch im Schwerpunktantrag wollen die Delegierten die Bürger- und Freiheitsrechte an erster Stelle für die Freidemokraten sehen. Aller Digitalisierung zu Trotz. . Lindners großes Thema in der Eingangsrede gehört Europa. Während Macron sein Programm präsentiert, tendiere die CDU nach links, die CSU nach rechts. Deshalb sei Stillstand in Deutschland beim Thema Europa. Hier sei Merkels Führung gefragt. „Frau Merkel, kämpfen Sie für Europa“, ruft Lindner in den Raum. „Ohne Genscher hätte es keine Wiedervereinigung gegeben, mit Merkel gibt es kein neues Europa.“ Die FDP kann „Ja“  sagen für eine europäische Außenpolitik, für eine gemeinsame Verteidigungspolitik, für einen EU-Haushalt mit Schwerpunkt Digitalisierung, für eine europäisches FBI, für eine europäische Asylpolitik, für die selben Grundlagen in unserer Bildung, für einen Europäischen Wahrungsfonds. Den Brexit bezeichnet Lindner als die beste  Warnung an alle Rechtspopulisten. Lindner verlangt eine Klärung des zukünftigen Verhältnisses zu Großbritannien. Die USA bezeichnet Lindner als den traditionellen Verbündeten Deutschlands. „Vergessen wir nicht, die USA haben eine Zivilgesellschaft und sie haben eine Opposition.“ Gegenüber Rußland möchte Lindner die Rußlandgipfel wieder aufleben lassen. Lindner will keine Cyberangriffe tolerieren und keine Annexionen akzeptieren. Der spätere Unterschied zu Kubicky erscheint hier graduell. Die Freidemokraten bezeichnet Lindner als Partei extremer Individualisten. Er fordert auf, nicht nach Umfragen zu regieren, sondern den Wettbewerb in der Demokratie zu befördern. Um dieses Angebot für die Bürger faßbar zu machen, fordert Lindner den späteren Antrag auf Einführung einer Kampagnenpauschale von 20 € je Mitglied als notwendig. Aus den Mitgliedsbeiträgen sei eine Wahlkampagne nicht zu finanzieren. Eine eigene Erhebung fördert die Unabhängigkeit der Partei. Zum Schluß kommt Lindner auf die Frage einer Doppelspitze für die Parteiführung. Naja, war die Kommentierung lapidar. Das wäre für meinen Nachfolger.

Ja, da war dann noch etwas mit einer Semmel. Lindner erklärte lang und breit, wie er in der morgendlichen Reihe beim Bäcker bei seinem Nachbarn einen ausländischen Akzent entdeckt. Und der übernächste Nachbar vor ihm hat auch einen ausländischen Akzent.

„Was will Lindner denn“, denkt man. „Wir leben dann in einem sicheren Deutschland, wenn ich weiß, dass mein Nachbar einen sicheren Aufenthaltsstatus hat.“  Kein rhetorisches Glanzlicht, aber auch keine rhetorische Sünde.

Wichtig wäre mir in Zukunft, meine Partei stellt in allen Anträgen die Bürgerrechte in den Vordergrund. Bei aller technologischen Entwicklung muss klar sein, dass der Mensch Herr der Technik und der Algorithmen und Programme bleiben muss.  Zumindest war Lindners Eingeständnis, dass sein Wahlkampfslogan „Digitaliserung first und Bedenken second“ naiv gewesen sei. Stimmt. Meine FDP hat da noch viel zu tun und ist gefragt.